Im Dezember 1881 wurde die Kiel – Flensburger Eisenbahn mit der Station in Süderbrarup eröffnet. Die Müller-Familie Carstensen, die schon seit 1869 eine Windmühle im Bereich des heutugen Mühlenbergs betrieb, erkannte schnell die Bedeutung der Bahnlinie für ihr Geschäft und verlegte den Firmensitz in den Bereich an der Bahnlinie.
Nachdem 1894 bereits das Geschäftshaus am Germaniaplatz errichtet worden war, wurde bald klar, dass man mehr Lagerplatz benötigen würde. Fündig wurde J. Fr. Carstensen auf der Westseite des Bahngeländes. Er kaufte einer alten Frau namens Kathrine die von ihr bewohnte alte Kate samt Land in der heutigen Lornsenstraße ab und errichtete für sie als Ersatz etwa 100 Meter weiter die „Villa Kathrine“, die allerdings 1973 abbrannte und im folgenden Jahr abgerissen wurde.
1908/09 wurde auf diesem Gelände ein großer mehrstöckiger Getreidespeicher errichtet, der sogenannte Müllerschuppen. Der Enkel des Bauherrn – mit Namen ebenfalls J.Fr. Carstensen – hat in einem Ordner, der im Gemeindearchiv vorliegt, ein paar interessante Zahlen zu diesem Bauwerk dokumentiert.
- Verarbeitet wurden für den Bau ca. 160.000 Ziegel zu einem damaligen Preis von 28 Mark je 1.000 Ziegel,
- 610 Sack Portland-Zement zu einem Preis von 3,12 Mark je Sack wurden benötigt,
- 85 Kubikmeter Schnittholz mit einem Kubikmeter-Preis von 61,80 Mark wurden hauptsächlich im Inneren des Speichers verbaut.
Interessant sind auch die damaligen Handwerker-Kosten:
- Maurer/Zimmerer 0,50 Mark/Stunde
- Arbeiter 0,40 Mark/Stunde
- Lehrlinge 0,30 Mark/Stunde.
Die Gesamtkosten für das Gebäude mit seinen 495 Quadratmetern Dachfläche beliefen sich auf ca. 19.000 Mark. Der Speicher war sowohl für die Versorgung per Bahn (mit eigenem Anschlussgleis) als auch per Pferdefuhrwerk/Lastwagen mit Rampen und Seilwinden an zwei Seiten versehen.
Bis zum Ende der Firma J.Fr.Carstensen im Jahre 1974 war der Speicher im Betrieb. Nach dem Verkauf des Betriebes und damit des gesamten Geländes westlich der Bahn an den Raiffeisen Bezugsverein fand dieser aber im Laufe der Jahre keine rechte Verwendung für den Müllerschuppen, so dass er bald wieder zum Verkauf stand.
1987 ging dann durch die lokale Presse, dass eine Gruppe von Berliner Investoren den Speicher für 1,3 Millionen D-Mark in ein „Sport- und Geschäftscenter“ umbauen wollte. Die hochtrabenden Pläne sahen vor, das Kellergeschoss in Richtung Westen unterirdisch zu erweitern, um hier mehrere Kegelbahnen anzulegen. Im Erdgeschoss sollten ein Spezialitäten-Restaurant, eine Boutique sowie ein Friseursalon ihren Platz finden. Für das Obergeschoss war eine Spielothek mit Billardtischen vorgesehen und unter dem Dach ein Fitness- und Bodybuilding-Zentrum.
Was sich auf dem Papier gut anhörte, scheiterte in der Realität aber an den hohen Auflagen und den damit immer weiter steigenden Sanierungskosten. Seit der Stilllegung des Speichers waren die Lecks im Dach nicht mehr ausgebessert worden, so dass das fast vollständig aus Holz bestehende Innere des Gebäudes feucht wurde und langsam zu verrotten begann.
So war es auch nicht verwunderlich, dass es nach mehreren Besitzerwechseln am 16.8.1991 in den Schleswiger Nachrichten hieß „Alter Speicher wird abgerissen“. Schon einige Tage vorher konnte man sehen, wie sich ein Bagger im hinteren Teil des Gebäudes langsam durch Mauerwerk und Holz fraß, so dass bald nur noch ein Gerippe des Gebäudes zu sehen war. J.Fr. Carstensen schreibt dazu, nachdem er den Aufwand für den Bau des Speichers aufgezählt hat: „und das alles wurde in 4 Tagen mit einer Schaufel / Bagger / Raupe ausradiert“.
Auf dem Gelände des ehemaligen Müllerschuppens entstand ein modernes Geschäftshaus, das jetzige Haus Schleswiger Straße 1.
Hallo,Herr Zander.
Da Sie gerne etwas über den Brarup Markt im Zweiten Weltkrieg wissen möchten,
möchte ich nach Rücksprache mit Willy Christensen ( Die Guten Würstchen) wäre er bereit mit Ihnen über die Erlebnissen zu sprechen. Er hat alles mit erlebt.
Seine Tel. Nr. 04641/2255.
Gruß Günter.
…und wieder ein schönes Gebäude weniger, und wieder ein gesichtsloses Irgendwas mehr- *seufz* Auch wenn das in diesem Falle vielleicht wirklich nicht (mehr) zu vermeiden war
Vielen Dank, das war wieder spannend! Ich bin erst 1994 in die Gegend gezogen und habe mich damals schon gewundert, wie wenig schönes altes Gemäuer in Süderbrarup noch existierte. Je mehr alte Bilder ich sah, je mehr Erzählungen Alteingesessener ich im Laufe der Jahre gehört habe und je mehr ich dann auch selbst mitbekommen habe, desto mehr gelangte ich zu der Ansicht, daß Süderbrarup offenbar fest entschlossen ist, sein historisches Gesicht vollständig zu verlieren. Schade!
Aber „schön“ und „häßlich“ liegen ja immer im Auge des Betrachters….