„Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (1) – Schleswiger Straße

Hinweis: Ergänzungen zu diesem Artikel sind hier zu finden.

Wenn man heute durch Süderbrarup geht, erkennt man nicht mehr viel von der einstigen Geschäftsvielfalt, die früher das Straßenbild belebte. Bis auf wenige Ausnahmen konzentriert sich alles auf das Süder-Center und die beiden Supermärkte in der Großen und in der Schleswiger Straße. Die meisten jüngeren Süderbraruper wissen gar nicht mehr, welche vielfältigen Einkausfsmöglichkeiten – auch abseits des Zentrums – es früher in Süderbrarup gab. Selbst im Straßenverzeichnis der neueren Dorfchronik finden viele der damaligen Gewerbebetriebe schon keine Erwähnung mehr. Zeit also, aus der Erinnerung heraus und mit Unterstützung der Chronik das damals vielfältige Angebot in Erinnerung zu rufen.

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Beginnen wir also mit der Schleswiger Straße. Vom westlichen Ortseingang bis zum Bahnübergang trägt die B201 den Namen Schleswiger Straße. Sie erhielt ihren Namen um 1910 und wurde 1933 erstmalig mit einer Teerdecke versehen. Während sie heute vorwiegend eine Wohnstraße ist, gab es dort noch in den 50er und 60er Jahren eine bunte Mischung von Geschäften und Handwerksbetrieben.. Machen uns als vom Bahnübergang aus zunächst auf der linken Seite auf den Weg Richtung Ortsausgang.

01_speicher Direkt hinter dem Bahnübergang auf der linken Seite befand sich früher das 1909 erbaute große Speichergebäude der Firma J. Fr. Carstensen. Entlang der Bahngleise Richtung Kiel / Schleswig erstreckten sich weitere Lagergebäude. unter anderem auch das Kohlenlager. Hier herrschte in den fünfziger und sechziger Jahren insbesondere zur Erntezeit  noch ein reger Lieferverkehr. 01_tedi Zur Abfertigung der Getreidelieferungen befand sich auf der rechten Seite des Vorplatzes eine Waage mit zugehörigem Wiegehäuschen, wo die Anhänger der Bauern mitsamt dem angelieferten Getreide gewogen werden konnten.  Der vordere große Speicher wurde 1991 abgerissen, um Platz für ein neues Geschäftshaus zu schaffen, in dem zunächst der Lidl Markt und ein Getränkehandel angesiedelt waren. Die Lagerschuppen im hinteren Bereich wurden später im Zuge des Neubaus des Jugendaufbauwerks ebenfalls abgerissen.

03_boerse_alt Direkt anschließend an den großen Platz vor dem Speicher stand jenseits der Einmündung zur Lornsenstraße das Hotel „Zur Börse“. Bis Anfang der 60er Jahre befand sich rechts vom Gasthof noch eine Durchfahrt, die früher zum Ausspannen der Pferdefuhrwerke genutzt wurde. Dieser Anbau wurde später abgerissen, um Parkplätze zu schaffen. 03_boerse_neu Meine erste Bekanntschaft mit der Börse machte ich in den frühen Sechzigern, als mich meine großen Schwestern öfter dorthin mitnahmen, um Fußball-Länderspiele im Fernsehen anzusehen. Im Jahre 1976 wurde hinter dem ursprünglichen Gebäude ein Festsaal angebaut. Hier fanden zu den Festtagen Ballveranstaltungen statt. 2007 wurde das Hotel „Zur Börse“ abgerissen. Auf dem Gelände befindet sich heute der Parkplatz des Lidl Marktes.

05_esso Dort, wo jetzt der Lidl Markt steht, befand sich bis zu ihrem Abriss eine Esso Tankstelle und eine Autowerkstatt, die den meisten Süderbrarupern noch als „Opel-Lorenzen“ bekannt sein dürfte.Die ursprünglich nur kleine Tankstelle wurde im Laufe der Jahre mehrmals erweitert, unter anderem 1987, als das rechts daneben stehende, etwas höher liegende Gebäude Schleswiger Str. 7 abgerissen und das 05_lidl Gelände dem Tankstellenbereich angegliedert wurde.Hinter dem ursprünglichen Tankstellen- und Bürogebäude befanden sich die Werkstatthallen. Noch weiter hinter den Werkstätten befand sich früher einmal der erste mir bekannte Tennisplatz Süderbrarups, den aber nur wenige Einwohner zu Gesicht bekommen haben dürften, da der Tennissport damals noch sehr exklusiv war. Die Tankstelle und die Werkstattgebäude verschwanden ebenfalls mit Errichtung des Lidl Supermarktes.

09_aral_alt In dem Haus Nr. 9 war in der Vorkriegszeit eine Schmiede ansässig. Nur noch wenigen Einwohnern dürfte geläufig sein, dass sich bis 1964 hier in unmittelbarer Nachbarschaft der Esso Tankstelle eine weiter Autowerkstatt befand. Dort betrieb damals Richard Henningsen eine VW Werkstatt und auf dem Vorplatz eine kleine Aral Tankstelle. 11_kraack_alt Auch im direkt daneben gelegenen Haus Nr. 11 waren früher Geschäfte angesiedelt. In der Vorkriegszeit befand sich hier eine Schneiderei. Nach dem Krieg hatte dort zunächst Milchmann Martin Mamsen sein Milchgeschäft, das er später ein Haus weiter in die Schleswiger Straße 13 verlegte. 15_11_mamsen Von hier aus belieferte er mit seinem Milchwagen, der von einem Pferd gezogen wurde, die Einwohner Süderbrarups mit Milch und anderen Molkereiprodukten. Ab 1957 betrieb im Haus Nr. 11 Egon Kraack sein Fahrradgeschäft mit Werkstatt. Mein erstes Fahrrad mit Gangschaltung und Tachometer kauften mir meine Eltern 1960 hier für den damals stolzen Preis von 240 DM.

23_25_kubisch_alt Etwas weiter die Straße hinauf im Haus Nr. 23 war in den fünfziger und frühen sechziger Jahren der Gemischtwarenladen von Otto Kubisch. Hier kauften, nachdem Karl Hahn seinen Laden im Flüchtlingslager geschlossen hatte, viele der Lagerbewohner für ihren täglichen Bedarf ein. 23_25_kubisch Später wurde der Laden zunächst von Martin Andersen weiterbetrieben, bevor für einige Zeit von Kaufmanns-Ehepaar Kemper übernommen wurde. Heute sind in dem Haus ein Musikladen und eine Videothek. Direkt nebenan ist auch heute noch die Bäckerei Schaper und noch ein Haus weiter ein Friseurladen, der früher vom Friseur Berthold Bölter betrieben wurde.

39_hansen Auch im Oberen Bereich der Schleswiger Straße westlich der Westenstraße gab es früher noch Geschäfte und Handwerksbetriebe. Im Haus Nr. 39 war die Schmiede von Schmiedemeister Hans Hansen, im Haus nebenan die Schuhmacherwerkstatt von Jensen. Im Haus Nr. 47 war der Taxibetrieb Lausen ansässig. Im Hof des Hauses Nr. 61 war die Tischlerwerkstatt von Reinhard von Rönn, der nebenbei ein Bestattungsinstitut betrieb. Die Tischlerei gehört inzwischen der Vergangenheit an, während das Bestattungsinstitut noch immer an gleicher Stelle existiert.

65_banneck Zwei weitere Betriebe, die heute nicht mehr existieren, schlossen sich an: Die Gärtnerei Banneck im Haus Nr. 65 und Elektriker Reimers im Haus Nr. 69. Hinter dem Wohnhaus der Gärtnerei erstreckte sich das zugehörige Gartengelände weit nach Süden direkt angrenzend an den Bereich des damaligen Flüchtlingslagers. Elektriker Reimers betrieb neben seiner Elektrowerkstatt und dem zugehörigen Laden damals auch noch eine kleine Gasolin Tankstelle direkt vor dem Gebäude. Später war in dem frei gewordenen Ladengeschäft der Unterrichtsraum der Fahrschule Lausen (Fahrlehrer Hartz) aus Kappeln untergebracht. Hier bereitete ich mich 1967 auf meine theoretische Führerscheinprüfung vor.

Über den Gemischtwarenladen des Kaufmanns Karl Hahn im ehemaligen Flüchtlingslager habe ich schon an anderer Stelle berichtet. Erwähnenswert ist noch, dass Hahn zu jener Zeit einen der ersten Süssigkeitenautomaten in Süderbrarup direkt an der Schleswiger Straße aufgestellt hatte. Damit sind wir – was die Geschäfte und Handwerker angeht – fast am Ende der Schleswiger Straße angelangt. Es folgt auf der linken Seite noch die Bosch-Autoelektrik-Werkstatt  von Peters (heute König) und neuerdings Gläsers Gartencenter und die Hallen mit Autowerkstatt von Feddersen.

Begeben wir uns also wieder zurück an unseren Ausgangspunkt am Bahnübergang, um die rechte Seite der Schleswiger Straße zu erkunden.

06_gerdsen_alt Direkt anschließend an die ehemalige Ladestraße der Bahn steht das früher als „Villa Pöpperling“ bekannte Haus, in dem heute die Arztpraxis Jaeckel (früher Dr. Jaeckel und Dr. Peters) ansässig ist. Daran anschließend im Haus Nr. 4 hatte in den 50er Jahren Friseur Nissen seinen Friseursalon. Später war in dem Haus eine Filiale des Bäckers Jürgensen aus Brebel. Für einige Zeit wurden die Schaufenster des Hauses dann vom Möbellager Godau zu Ausstellungszwecken genutzt, bevor die AOK hier eine Geschäftsstelle einrichtete. Heute ist das Haus ein reines Wohnhaus.

06_gerdsen_neu Im Haus Nr. 6 befand sich  in der Nachkriegszeit das Tabakwarengeschäft Gerdsen. Später hatte hier eine Zeit lang Fernseh Kirchner sein Rundfunk- und Fernsehgeschäft mit Werkstatt. Auch dieses Haus ist heute ein reines Wohnhaus, genau wie das Haus Nr. 8, in dem lange Jahre die Zahnarztpraxis Larsen-Schmidt untergebracht war. Auch in den an das Vereinshaus (der Gemeinschaften in der evangelischen Landeskirche) anschließenden beiden Häusern waren ehemals Gewerbebetriebe ansässig: Im Haus Nr. 12 war ursprünglich die Klempnerei von Hennings, später dann das Friseurgeschäft von Bölter, bevor er in die Schleswiger Str. 27 umzog; im Haus Nr. 14 befand sich die Schneiderei Ochsenfarth.

16_arbeitsamt In dem großen an die Einmündung zum Alten Markt folgenden Gebäude befand sich bis 1973 eine Zweigstelle des Arbeitsamtes Kappeln. Hier mussten sich in den 50er und 60er Jahren die Arbeitslosen noch einmal wöchentlich zum sogenannten „Stempeln“ einfinden, um ihre Verfügbarkeit für die Vermittlung zu dokumentieren. 22_bauer Direkt daneben, dort, wo sich heute ein kleiner Parkplatz befindet, stand bis 1968 ein kleines Häuschen. Dort war zwar kein Gewerbebetrieb untergebracht; das Haus ist aber dennoch erwähnenswert, weil hier der „Gemeindebote“ Bauer wohnte. Bauer fuhr – in der heutigen Zeit kaum vorstellbar – mit seinem kleinen Auto durch Süderbrarup, um die Korrespondenz der Gemeindeverwaltung zu verteilen.

Noch vor der Einmündung der Raiffeisenstraße (früher Ulmenstraße) in die Schleswiger Straße befindet sich auf der rechten Seite die ehemalige Arztpraxis Esenwein (heute Dr. Pönnighaus und Dr. Hofstetter). Das inzwischen schon abgerissene Altenheim direkt an der Ecke war bis kurz vor dem 2. Weltkrieg eine Gaststätte. Heute befindet sich dort ein Wohnheim-Neubau des St.-Nicolai-Heims Sundsacker.

30_diercks_alt Im Eckhaus auf der gegenüberliegenden Seite der Raiffeisenstraße war in der Nachkriegszeit der Gemischtwarenladen von Diercks. 30_diercks Nachdem Diercks das Ladengeschäft aufgegeben hatte, versuchten in den Räumlichkeiten verschiedene Gastwirte mit wechselnden Lokalnamen und ebenso wechselndem Erfolg ihr Glück. Zwei Häuser weiter im Haus Nr. 34 befand sich bis 1978 die Schlachterei von Willy Christensen mit einem Schlachthaus auf dem Hinterhof des Geländes. Nach Schließung des Betriebes wurde der Laden von den verschiedensten Gewerbetreibenden genutzt – meist allerdings nur für kurze Zeit.

52_lorenzen Weiter Richtung Schleswig grenzt das Gelände der dänischen Minderheit mit Pastorat und dänischer Kirche an die Schleswiger Straße. Im Haus Nr. 44 wohnte der Tierarzt Dr. Erichsen. Weiter ortsauswärts im Haus Nr. 52 befand sich lange Zeit ein Stubenladen der Familie Lorenzen. Hier konnte man mit einigem Glück noch Süßigkeiten und Getränke kaufen, wenn die normalen Läden bereits geschlossen hatten. Außerdem konnte man bei Frau Lorenzen Bücher (in der Mehrzahl Liebesromane) und Comic-Hefte gegen eine geringe Gebühr ausleihen. Heute findet man auf dem Grundstück eine Töpferei.

64_team Das große Gelände, das heutige im Besitz der team AG (mit Baumarkt, Tankstelle und Hauptverwaltung) ist, war bis 1962 Ackerland. Hier wurde dann in den Jahren 1966 bis 1970 die Thorsberg-Kaserne errichtet, in der bis 1994 Teile des FlaRakBtl 39 untergebracht waren. Nach der Verlegung der letzten Einheiten kaufte 1994 der Raiffeisen-Bezugsverein das Gelände, das nach der Verschmelzung des Bezugsvereins mit der team AG an diese überging.

66_tannenvilla_alt Angrenzend an dieses Gelände liegt etwas versteckt die „Tannenvilla“. Hier betrieben lange Zeit die Familien Mahn und später Bauer eine Geflügelzucht. In dem letzten großen Gebäude vor dem Ortsausgang befand sich in der Nachkriegszeit für eine Weile die Fischkonservenfabrik von Weiß. 78_thormann Die Fabrik brannte 1950 ab, das Gebäude wurde aber wieder aufgebaut. In den frühen 60er Jahren befand sich hier der Landmaschinenhandel von Thormann. Später wandelte Thormann den Betrieb in eine Peugeot Vertragswerkstatt um und betrieb hier für einige Zeit auch eine BP Tankstelle. Ebenfalls in diesem Gebäude war für viele Jahre eine Außenstelle des TÜV Flensburg untergebracht, bevor sie in die Gewerbestraße verlegt wurde.

Damit sind wir wieder am Ortsausgang von Süderbrarup angekommen und unsere virtuelle Geschäftsreise endet zunächst einmal.


Marc Schnau:

Moin Moin,

zur Bäckerei Schaper habe ich eine kleine Geschichte:

Es muss Mitte, eher Ende der 60ziger Jahre gewesen sein, da durfte ich Knirps in der Bäckerei Brötchen holen. Also hinein spaziert und bei der, hinter dem Verkaufstresen stehenden Frau „normale Brötchen“ bestellt. Der in diesem Moment mit frischen Backwaren in den Verkaufsraum kommende Bäcker korrigierte mich sofort: „Normal sind die Brötchen alle, Du willst <b>einfache</b> Brötchen.“ Und dann gab es noch ein Brötchen zusätzlich in die Hand.

Das habe ich nie vergessen und bis heute kräuseln sich mir die Nackenhaare wenn ich höre, dass jemand „normale Brötchen“ bestellt werden. Lektion gelernt, möchte ich mal behaupten. 🙂

Viele Grüße
Marc Schnau

 

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3 Antworten zu „Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (1) – Schleswiger Straße

  1. Klaus Ziehm sagt:

    Kennen Sie von damals die Fußpflege Petersen? Das war die Mutter von Erika Petersen, aus Süderbrarup. Sie lernte Ende 60 er Jahre Dekorateurin bei Sport Renz und bei Nootbar in Schleswig. Ich war mit ihr in der Berufsschulklasse.
    Mich würde interessieren, was aus ihr geworden ist.
    Danke für Ihre Mühe.
    Klaus Ziehm, Behrendorf im März 18

    • admin sagt:

      Ich erinnere mich an die Fußpflegerin Elli Petersen im Goosholmer Weg. Wo ihre beiden Töchter nach dem Wegzug aus Süderbrarup verblieben sind, weiß ich allerdings nicht.

  2. Marc Schnau sagt:

    Moin Moin,

    zur Bäckerei Schaper habe ich eine kleine Geschichte:

    Es muss Mitte, eher Ende der 60ziger Jahre gewesen sein, da durfte ich Knirps in der Bäckerei Brötchen holen. Also hinein spaziert und bei der, hinter dem Verkaufstresen stehenden Frau „normale Brötchen“ bestellt. Der in diesem Moment mit frischen Backwaren in den Verkaufsraum kommende Bäcker korrigierte mich sofort: „Normal sind die Brötchen alle, Du willst einfache Brötchen.“ Und dann gab es noch ein Brötchen zusätzlich in die Hand.

    Das habe ich nie vergessen und bis heute kräuseln sich mir die Nackenhaare wenn ich höre, dass jemand „normale Brötchen“ bestellt werden. Lektion gelernt, möchte ich mal behaupten. 🙂

    Viele Grüße
    Marc Schnau

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