„Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (7) – Die Große Straße (rechte Seite)

gr_str_1906 Nachdem wir in der vorigen Folge den Teil der Großen Straße abgehandelt haben, der auch als Germania Platz bezeichnet wird, wenden wir uns heute dem restlichen Bereich bis zur Kappelner Straße bzw. Teichstraße zu. Und weil das für einen Artikel etwas Viel ist, beschäftigen wir uns erst einmal nur mit der rechten Straßenseite.

Wann die Straße ihren offiziell heutigen Namen bekam, lässt sich nicht mehr genau feststellen – früher wurde sie auch als Hauptstraße oder Provinzialstraße bezeichnet. Auf alten Ansichtskarten, die etwa um 1910 entstanden sein müssen, steht als Straßenbezeichnung allerdings schon „Große Straße“.

nr10_2 Obwohl die Große Straße eigentlich schon immer die Hauptgeschäftsstraße von Süderbrarup war, konnte man dort bis in die 60er Jahre noch drei Bauernhöfe finden. Der erste von ihnen, der Marxen-Hof, befand sich dort, wo man heute den Rewe-Markt findet. Das Wohnhaus wurde laut Chronik schon 1626 errichtet. nr10_01 Davor befand sich zur Großen Straße hin ein großer Hofplatz. Ich kann mich noch daran erinnern, dass man auf diesem Platz irgendwann (wahrscheinlich) Ende der 50er Jahre einen Maibaum errichtete, nachdem man ihn in einem Umzug durch das Dorf getragen hatte. Ebenfalls dort fand in meiner Jugend zeitweise der Laternenumzug der Kinder durch Süderbrarup sein Ende.

nr08a-2003 Nachdem 1964 die östlich auf dem Platz gelegene Scheune abgerissen und im Freilichtmuseum Molfsee wieder aufgebaut worden war, wurde dort 1967 die Autowerkstatt und Tankstelle Warwel erbaut. Das alte Wohngebäude des Marxen-Hofs blieb noch einige Jahre erhalten. Erst 1980 wurde es abgebaut und im Landschaftsmuseum Angeln in Unewatt wieder aufgebaut.

nr10-2003a Nachdem die Kfz-Werkstatt Warwel Anfang der 80er Jahre in die Bahnhofstraße verlegt worden war, wurde der Tankstellenbetrieb wieder abgerissen. Auf dem nunmehr freien Gelände des ehemaligen Marxen-Hofes wurde das neue Geschäftshaus des Zahnarztes Grobleben (Haus Nr. 8a) errichtet. In dem Gebäude befanden sich neben der Zahnarztpraxis zeitweise Ausstellungsräume der Schleswag. Heute sind im Untergeschoss ein Cafe sowie Geschäftsräume der Elektrofirma Pehl untergebracht.

Den überwiegenden Teil des Grundstücks nimmt der ebenfalls Anfang der 80er Jahre erbaute Rewe Supermarkt (früher minimal) mit einem im hinteren Bereich gelegenen Getränkemarkt ein. 1988 kam in einem Anbau des Supermarktes die Möwen-Apotheke dazu. Der Rewe-Markt wurde kürzlich durch Anbauten im hinteren Bereich des Geländes vergrößert.

nr12_1950 Zwischen dem Rewe-Gelände und dem nächsten direkt an der Straße gelegenen Gebäude der Volksbank befindet sich ein Parkplatz. Dahinter liegen jedoch zwei Häuser, die man von der Straße her kaum bemerkt. Da ist zum einen das Haus Nr. 12, das Ehlers-Haus. Es war lange Jahre die Abnahme (Altenteil) des damals etwas weiter Richtung Kappeln an der gleichen Straßenseite gelegenen Ehlers-Hofes. Hier wohnte Ernst Ehlers, der von 1951 bis 1966 die Geschicke Süderbrarups als Bürgermeister lenkte.

nr14_1934 Ebenfalls etwas abseits der Straße liegt das Haus Nr. 14, die sogenannte Carstensen-Villa. Sie wurde 1808/09 für den Mühlenbesitzer Joh. Fr. Carstensen erbaut. Die Villa diente bis 1945 auch als Kommandeurswohnung, wenn Soldaten in Süderbrarup stationiert wurden.

nr16_02 Das neben dem Parkplatz gelegene Haus Nr. 16 wurde 1884 erbaut. Hier betrieb der Bäcker Claus Albertsen eine Bäckerei und später auch eine Lotterie-Annahmestelle. 1906 wurde das Gebäude an den Buch- und Papierwarenhändler Alfred Schüler verpachtet, dessen Sohn Erich Schüler das Geschäft später in der GroßenStraße 29 betrieb.

nr16_01 1941 übernahm die Spar- und Darlehnskasse das Gebäude. Nach Verschmelzung mit verschiedenen kleineren Spar- und Darlehnskassen in der Umgebung firmierte die Bank 1974 in Raiffeisenbank Süderbrarup um. Entsprechend dem gewachsenen Geschäftsvolumen und damit der steigenden Mitarbeiterzahl wurde das alte Gebäude modernisiert und durch Anbauten erweitert.

nr16-2003 Zum 1.1.2000 wurde die Bank mit der Volks-und Raiffeisenbank Kappeln verschmolzen und hieß seither ebenfalls Volks- und Raiffeisenbank. Das Gebäude wurde 2001 grundlegend umgestaltet und modernisiert. Erst kürzlich kam es zu einer weiteren Verschmelzung mit der Schleswiger Volksbank, so dass die ehemals eigenständige Süderbraruper Bank jetzt nur noch eine Zweigstelle der Schleswiger Zentrale ist.

Bevor wir weitermachen noch einmal ein Blick in die Große Straße zu verschiedenen Zeitpunkten:

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Kommen wir jetzt zum Haus Nr. 18. Das Gebäude, das wir heute an dieser Stelle finden, stand nicht immer dort. Das ursprüngliche 1867 errichtete Haus Nr 18  wurde schon um die Jahrhundertwende abgerissen und durch einen Neubau mit Schieferdach ersetzt. nr22_1900 Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich hier ein Geschäft für Leichenausstattung und Särge. Von 1933 bis 1954 hatte dann Zahnarzt Richard Grobleben seine Wohnung und Praxis hier.

thaga Anschließend war hier eine Filiale des Hamburger Kaffee- und Lebensmittelkette Thams & Garfs. Hier war ich mit meiner Mutter in den 50er Jahren oft einkaufen. Es gab noch eine Einkaufstheke und man wurde vom Kaufmann – ich erinnere mich noch an Paul Brick – bedient. Außerdem gab es noch viele Lebensmittel „lose“ zu kaufen. Erkennungszeichen war das Schild mit dem „ThaGa-Mann“.

nr18-2003 Später waren hier ansässig: Möbel-Albrecht mit einem Möbelgeschäft, das Textilgeschäft „Mini-Preis“, eine Filiale der Drogerie Walberg  aus Kappeln und das Textilgeschäft „Ernsting’s family“. In der oberen Etage war für einige Zeit ein Rechtsanwaltsbüro. Gegenwärtig befindet sich in der rechten Haushälfte ein Immobilienbüro der Volks- und Raiffeisenbank und im linken Ladengeschäft eine Filiale von Schuh Eggers aus Kappeln.

nr20_01 Das Haus Nr. 20 wurde 1908 für den Textilkaufmann Otto Diedrich Petersen erbaut, der den rechten Laden später an die Konsumgenossenschaft vermietete. Peter Heinrich Jochimsen, ebenfalls Textilkaufmann, mietete zunächst das linke Ladengeschäft, bevor er 1923 das gesamte Gebäude erwarb.

Schon seit 1931, als Hermann Harmening den Laden übernahm, ist das Geschäft im Besitz der Familie Harmening. Ich meine mich zu erinnern, dass man bei Harmening in den 50er Jahren neben Textilien auch Schuhe kaufen konnte. Im Jahre 1977 wurde das Geschäft durch einen Anbau nach hinten erweitert.

nr20-2003 1995 wurde die ursprüngliche Fassade des Hauses rekonstruiert, so dass die Front des Hauses fast wieder wie ursprünglich aussah, wie man an den Bildern gut erkennen kann. Außerdem wurde der Laden mit der Eröffnung des Süder-Centers mit einem Eingang vom rückwärtigen Parkplatz aus versehen. Heute wird das Modehaus Harmening bereits in dritter Generation von der Familie Harmening / Hamann geführt.

nr22-2003 Relativ neuen Ursprungs ist das Haus Nr. 22. Es wurde erst 1972 erbaut. Der rechte Laden beherbergt ein Papierwaren- und Zeitschriftengeschäft, das zunächst von Frau Krambeck, später von Frau Thiesen und heute wieder von der Tochter von Frau Krambeck betrieben wird. Im linken Ladenlokal befindet sich die Apotheke Hoffmann-Pinther, die nun ebenfalls mit einem rückwärtigen Eingang versehen wurde. Direkt neben dem Haus Nr. 22 befindet sich heute die Einfahrt zum „Nahversorgungszentrum“ Süder-Center, das auf den Wiesen hinter dem ehemaligen Ehlershof 2006 errichtet wurde. Seit der Eröffnung dieses Einkaufszentrums ist das geschäftliche Leben in der Großen Straße erkennbar rückläufig.

nr24_01 Doch kommen wir jetzt zum ehemaligen Ehlershof. Wenn wir der Dorfchronik glauben können, wurde er bereits 1683 erbaut – über der Tür steht allerdings „Anno 1787″, was allerdings nur auf einen Umbau des Hauses hinweisen soll. Neben dem Wohnhaus befand sich auf dem Gelände ein großes Scheuen- und Stallgebäude mit Front zur Großen Straße.  nr24_05 Diese Scheune ist zweimal abgebrannt und wurde jeweils danach 1921 und 1947 neu errichtet. An der Frontseite waren unterhalb des Namens „Ehlershof“ fünf einzelne Buchstaben angebracht, soweit ich mich erinnere I,B,C,A.B oder I.B.E.A.B. – jedenfalls interpretierten wir Kinder das als Anfangsbuchstaben von „Ich Bin Ein Armer Bauer“.

Freilichtmuseum Kiel Molfsee 1980 Der Hof gehörte nach dem 2. Weltkrieg der Familie des ehemaligen Süderbraruper Bürgermeisters Ernst Ehlers. 1964 wurde das Stallgebäude abgerissen. Das Wohnhaus wurde zerlegt und nach Kiel in das Freilichtmuseum Molfsee transportiert. Freilichtmuseum Kiel Molfsee 1980 Dort wurde es 1977 nahezu originalgetreu wieder errichtet und kann noch heute besichtigt werden. Dort ist übrigens auch die alte Scheune des Marxen-Hofes nach ihrem Abriss in der Großen Straße 10 wieder aufgebaut worden.

nr24_04 Auf dem frei gewordenen Gelände wurde 1965 eine Aral Tankstelle von Günther Hansen eröffnet, 1975 kam ein Verkaufsbüro für PKW der Marke Ford dazu. nr24-2003 Im Jahr 1983 wurde zusätzlich ein Werkstattgebäude auf dem Gelände gebaut, da die ursprüngliche Ford Werkstatt hinter dem Haus Große Straße 4 durch eine enge Einfahrt nur schlecht zugänglich war. Nachdem Hansen seinen Firmensitz nach Kappeln verlegt hatte, wurden Werkstatt und Verkaufsbüro vom Kfz-Meister de Vries übernommen, die Tankstelle dagegen wurde aufgegeben.

Neben dem Ehlers-Grundstück befand sich das etwas zurück liegende Haus Nr. 26 der Familie Ernst. Hier war nach dem 2. Weltkrieg die von Ernst geführte Ortskrankenkasse, später AOK untergebracht.  nr29_03 . Vor dem Haus befand sich ein Parkplatz und auf der rechten Seite ein 1947 errichteter Verkaufspavillon. Dieser von Karl Weiß betrieben Kiosk war zunächst nur eine Holzhütte, wurde aber später durch ein gemauertes Gebäude ersetzt (siehe dazu auch den Artikel von Hartmut Stäcker).

nr26-2003 1987 wurde das Grundstück aufgeteilt, das alte Wohnhaus und der Pavillon wurden abgerissen und ein neues Wohnhaus im hinteren Teil des Geländes errichtet. Auf der an der Großen Straße gelegenen Fläche wurde ein kleines „Einkaufszentrum“ mit 6 einzelnen Geschäftslokalen errichtet. nr26-2003a Zu den ersten Mietern gehörte der Drogeriemarkt Kloppenburg, der dann 2006 seine Geschäftsräume in das Süder-Center verlegte. In den übrigen Läden sind bzw. waren unter anderem Jannys Eis, die Schlachterei Johannsen, eine Boutique für Kinderbekleidung, eine Zoohandlung, eine Spielhalle, ein Bilderladen sowie ein türkischer Imbiss. Nach dem Umzug der Firma Kloppenburg ist es auch um dieses ehemals betriebsame kleine Einkaufszentrum sehr ruhig geworden.

nr28-2003 Das angrenzende Haus Nr. 28 wurde 1909 erbaut und 1928 aufgestockt. Hier hatte Anfang der 30er Jahre Zahnarzt Dr. Wilhelm Haase seine Praxis. Anschließend praktizierte und wohnte hier der Zahnarzt Dr. Pehrs, der das Haus 1955 erwarb. Zur Zeit steht das Haus leer.

nr30_1900 Gleich nebenan befindet sich das Gebäude der ehemaligen Meierei Süderbrarup. Es wurde 1888 für die Meiereigenossenschaft Süderbrarup erbaut, 1902 aufgestockt und durch eine Wohnung im Obergeschoss erweitert. Die Süderbraruper Meierei war bis 1975 in Betrieb, zuletzt als Zweigstelle der Nordbutter in Schleswig. Auf dem Schornstein der Meierei brütete zu meiner Kinderzeit alljährlich ein Storchenpaar.

nr30-2011a_0 1975 übernahm der Kaufmann Jürgen Jürgensen das alte Meiereigebäude und ließ es umbauen. Unter dem Namen „Geschenktruhe“ wurden hier Geschenkartikel, Spielwaren und Haushaltswaren angeboten. 1992 wurde der Laden an den Flensburger Horst Grube verpachtet, der das Geschäft allerdings nur wenige Jahre weiterführte. Heute dient das Untergeschoss als Ausstellungsfläche für Antiquitäten. In der Wohnung im Obergeschoss befand sich für einige Zeit das Rechtsanwaltsbüro Staffenski.

nr32j Zwischen den Häusern Nr. 30 und 34 liegt auf dem Hinterhof das Haus Nr. 32. Hier war zeitweilig das Taxi- und Bus-Unternehmen Sell ansässig und betrieb hier auch zeitweise ein Reisebüro.

nr34_01 Das Haus Nr. 34 wurde 1899 für den Kaufmann Johannes Petersen errichtet, der hier ein großes Geschäft mit Saaten betrieb. Nachdem das Haus für kurze Zeit dem Kaufmann Peter Greve gehörte, übernahm es 1923 der Kaufmann Jürgen Jürgensen sen. Bei „Jünne“, wie das Geschäft von Einheimischen allgemein genannt wurde, gab es in erster Linie Lebensmittel. nr34-2003 Aber eben nur in erster Linie – genau genommen gab es fast alles dort. Fragte man nach irgend etwas, verschwand der alte Herr Jürgensen (später auch sein Sohn Jürgen jun.) für einige Zeit in den Tiefen des Ladens und tauchte nach einiger Zeit meistens mit dem gesuchten Gegenstand wieder auf. Einige Jahre lang gab es sogar noch ein kleines Warenlager mit Gartengeräten und ähnlichen Sachen in einem kleinen Holzgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

nr36-2003 Außerdem bot Jürgensen schon damals für seine Kunden einen „frei Haus“ Lieferservice. Anfang der 90er Jahre gab „Jünne jun.“ dieses kleine Süderbraruper „Warenhaus“ auf – damit gab es eine alte liebgewonnene Institution weniger in Süderbrarup.  Heute ist der Laden im Untergeschoss an die Schuhmacherei No. 1 von Göbbels und das Sanitätsgeschäft Hildebrandt verpachtet.

Das letzte Haus auf der rechten Seite der Großen Straße ist das Haus Nr. 36, ein 1898 erbautes reines Mietshaus. Damit sind wir an der Teichstraße angekommen und beenden unseren Rundgang für heute.

 

 

 

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3 Antworten zu „Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (7) – Die Große Straße (rechte Seite)

  1. Klenke, Reinhard sagt:

    Danke, bin jetzt erst durch Zufall auf ihre Antwort und auf diese Seite gestoßen. Hatte Ihre Mail wohl gelöscht aus Angst vor Spam . . . Sorry

  2. Klenke, Reinhard sagt:

    Am 20. Aug.1944 konnte ich in FLENSBURG Fam. Karl HAUß, Große Str. 26, aufsuchen, meinen ehemaligen Fachschul-Kameraden, der aber auch Soldat war.
    Das hat mein Vati Jahrgang 1908, in seinem ausführlichen Tagebuch, Seite 110, stehen. Er war so 1928 in Blankenburg / Harz auf der Tischler-Fachschule. Werden Fotos „gebraucht“ Gibt´s noch Nachkommen ??

    • admin sagt:

      Hallo Herr Klenke,
      wenn ich Ihren Kommentar richtig verstehe, geht es bei Ihnen um die Große Straße in FLENSBURG, während es hier um die Große Straße in SÜDERBRARUP geht. Von daher kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.

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