„Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (6) – Der Germaniaplatz

In Süderbrarup gibt es offiziell keine Straßen- bzw. Platzbezeichnung mit Namen Germaniaplatz, dennoch dürfte den meisten Süderbraruper klar sein, welche Stelle des Ortes damit gemeint ist.  germpl_01 Als Germaniaplatz wird der Bereich der Einmündung der Bahnhofstraße in die Große Straße bezeichnet. Seinen Namen erhielt er wohl Ende des 19. Jahrhunderts, als der Kaufmann Nicolaus Prahm im Haus Große Straße Nr. 4 ein Kaufhaus mit dem Namen Germania Basar betrieb. Das Kaufhaus zog zwar Anfang des 20. Jahrhunderts in die Bahnhofstraße um, der Name des Platzes blieb aber erhalten.

germpl_09 Der Germaniaplatz entwickelte sich in dieser Zeit zum geschäftlichen Mittelpunkt des Ortes, was man auch daran erkennt, dass es sehr viele Ansichtskarten und Bilder aus dieser Zeit gibt, auf denen dieser Kreuzungsbereich aus den verschiedensten Perspektiven abgebildet ist. Doch nicht nur Geschäftshäuser gab es rund um den Germaniaplatz, sondern sogar auf der Straße selbst hatte lange Jahre ein Gemüsehändler (Möller) seinen mobilen Stand, wie das nebenstehende Foto zeigt.

germpl_03 Doch widmen wir uns jetzt den Häusern rund um den Germaniaplatz. Zwischen Bahnübergang und Bahnhofstraße stehen die Häuser Große Straße 1 und 3. Ursprünglich stand hier eine Bauernkate, die 1893 vom Müller Johannes Friedrich Carstensen aufgekauft wurde. Der Betrieb von Carstensen war ursprünglich im Bereich Mühlenstraße / Holmerstraße angesiedelt, wo er auch eine Windmühle betrieb.  Mit dem Bau der Bahnlinien Ende des 19. Jahrhunderts zog er mit seinem Betrieb dann in die Nähe der Bahn.

germpl_17 1894 ließ Carstensen dann an dieser Stelle das heutige Gebäude errichten. Zwischen dem Gebäudeteil am Bahnübergang und dem Eckgebäude zur Bahnhofstraße befindet sich auch heute noch eine Durchfahrt, an deren linker Seite sich früher der Getreideladen von Carstensen befand. Rechts von der Durchfahrt waren bis in die 70er Jahre die Kontorräume des Müllereibetriebes. Dazu gehörten auch der 1909 errichtete Speicher und die sich längs der Bahngleise nach hinten erstreckenden Lagerhallen. Die Firma J. Fr. Carstensen existierte bis 1974 und wurde dann vom Bezugsverein übernommen.

germpl_18 Nach Schließung des Getreideladens waren im Haus Nr. 1 verschiedene Geschäfte angesiedelt: zunächst das Zoogeschäft Horstmann, dann das Küchenstudio von Sieck, später ebenfalls ein Küchenstudio der Tischlerei Voß und zuletzt ein Second Hand Geschäft. In den ehemaligen Büroräumen der Firma Carstensen eröffnete 1975 der Elektromeister Sieck aus Loit ein Elektrogeschäft, das bis Anfang der 90er Jahre bestand. Danach wurde in den Geschäftsräumen eine Spielothek eingerichtet, die bis heute dort anzufinden ist.

germpl_06 Jenseits der Bahnhofstraße auf derselben Straßenseite befand sich einst das auf dem Bild rechts zu sehende Haus Nr. 5. Es wurde bereits 1882 errichtet. Hier war nach dem zweiten Weltkrieg für mehrere Jahrzehnt die Drogerie von Hermann Kählert. 1979 eröffnete dann Jens Tobian hier ein Gardinengeschäft, in dem man auch Geschenkartikel kaufen konnte.

germpl_05 Später als das ursprüngliche Haus entstand ein angebautes größeres Ladengeschäft, das auf Bild links teilweise zu erkennen ist. Hier war von 1933 bis 1967 das Schuhgeschäft Bendixen, das später in die Bahnhofstraße umzog. Die Geschäftsräume wurden daraufhin von der Fotografin Ulrike Kruse als Fotogeschäft und -studio genutzt. Von 1975 an befand sich dort die Annahmestelle einer Kleiderreinigung.

germpl_15 Die beiden Gebäude Nr. 5 wie auch das benachbarte Wohnhaus Nr. 7 wurden 1992 vom Baumeister Claus Lorenzen erworben. Nach Abriss dieser Gebäude errichtete er dort 1996/97 ein neues Wohn- und Geschäftshaus, das die Lücke zwischen dem Häusern Bahnhofstraße 2 und Große Straße 9 komplett schließt. Im Erdgeschoss dieses großen Eckhauses waren in dem der Bahnhofstraße zugewandten Teil ursprünglich ein Immobilienbüro der Volks- und Raiffeisenbank, danach ein Reisebüro ansässig. Heute befindet sich in diesem Teil des Gebäudes ein Friseurgeschäft.

germpl_22 In dem der Großen Straße zugewandten Teil befindet sich links eine Eisdiele und rechts die Gastwirtschaft „Mr. Ed“. Vor den beiden Lokalen kann man im Sommer an auf einer gemeinsamen Terrasse aufgestellten Tischen dem geschäftigen Treiben am Germaniaplatz zusehen, wenn der Aufenthalt im Freien nicht – wie in diesem Sommer – durch Straßenbaulärm getrübt wird. Im Obergeschoss des Gebäudes befinden sich neben einem Anwaltsbüro mehrere Wohnungen.

Jetzt zu dem auf der gegenüberliegenden Seite der Großen Straße liegenden Teil des Germania Platzes.

germpl_02 Auf dem Grundstück Nr. 2 befand sich ursprünglich ein Strohdachhaus, das 1900 abgerissen wurde. An dessen Stelle ließ 1900 der Kaufmann Hans Christian Nissen das germpl_11 heutige Gebäude mit dem charakteristischen Eckturm zum Bahnübergang hin (der ursprünglich mit einem Spitzdach versehen war) errichten. Hier befand sich bis Ende 1980 das Teppichhaus Nissen, ein Gardinen- und Teppichgeschäft, das lange Jahre von dem den älteren Süderbrarupern noch wohlbekannten Emil Nissen geführt wurde. Seit 1981 befindet sich hier ein Büro des Landwirtschaftlichen Buchführungsverbandes.

Das Haus Nr.4 wurde schon früher,  nämlich 1893 errichtet, und zwar nachdem ebenfalls ein dort vorher stehendes Strohdachgebäude abgerissen worden war. germpl_07 .Hier betrieb, wie schon oben erwähnt, Nicolaus Prahm ursprünglich seinen Germania Basar. Nach dem Umzug Prahms in die Bahnhofstraße befand sich hier das Kaufhaus Nissen. 1937 richtete Werner Lutzhöft dort eine Ausstellungshalle und eine Werkstatt für Landmaschinen ein. Nach dem Konkurs der Firma Lutzhöft nach dem zweiten Weltkrieg war zunächst ein „Konsum“-Lebensmittelgeschäft, danach Ausstellungsräume des Energie-Unternehmens Schleswag im Untergeschoss untergebracht..

germpl_21 1979 übernahm Fernseh-Kirchner die Ladenräume für sein Rundfunk- und Fernsehgeschäft. Im rechten Teil des Gebäudes gab es für einige Zeit auch eine Gastwirtschaft: die „Klönstube“. Nachdem der Laden für längere Zeit leer stand waren in jüngster Zeit dort zunächst ein Second Hand Geschäft und heute ein Goldankauf.

Auf dem Hinterhof des Gebäudes – erreichbar durch die schmale Durchfahrt zwischen den Häusern Nr. 2 und Nr. 4 – betrieb Günter Hansen Anfang der 80er Jahre eine Ford-Werkstatt.

germpl_08 Das angrenzende Haus Nr. 6 wurde 1891 als Holzhaus für den über die Ortsgrenzen hinaus bekannten Sattlermeister Fintzen errichtet. Wegen seiner eigentümlichen Holzfront wurde es im Volksmund „Spreenkasten“ genannt. germpl_13 Später war hier der Friseurladen Geertz. Von 1917 bis 1943 folgte zunächst der Gemüsehändler Möller, dann Christian Hamann (ebenfalls Gemüsehändler) im linken Laden. Im rechten Laden war das Wäsche- und Wollgeschäft von Domröse ansässig.

1953 kaufte der Zahnarzt Grobleben das Gebäude und ließ es 1954 abreissen und das heutige mehrstöckige Gebäude an seiner Stelle errichten. Hier befand sich bis 1985 die Zahnarztpraxis Grobleben. Im Untergeschoss mit zwei Läden waren unter anderem bis 1968 das Obst- und Gemüsegeschäft Siegmund, danach das Blumengeschäft Maas und ein Handarbeitsgeschäft. Nach längerem Leerstand befanden sich dort in jüngster Zeit zunächst zwei Second Hand Geschäfte und heute ein Computerladen mit Internet Cafe.

germpl_04 Jetzt zum Abschluss userer heutigen Tour zum Haus Große Straße 8. Das Gebäude wurde 1897 für den Uhrmacher Thomas Thomsen – bekannt als „Thomas Klock“ – errichtet, 1935 übernahm der Uhrmachermeister Julius Hoeck das Geschäft. germpl_14 Das Warenangebot wurde im Laufe der Jahre erweitert. Neben Uhren gab es auch Besteck und Schmuck hier zu kaufen. Später kam eine Optikerwerkstatt mit Brillengeschäft hinzu.

1974 wurde das Geschäft von dem Optikermeister Wolfgang Rieger aus Kappeln übernommen. Das Sortiment wurde nicht nur beibehalten sondern noch um den Bereich Hörgeräteakustik erweitert. Es wird auch heute noch von der Familie Rieger betrieben.

Zum Abschluss noch ein Blick von der Großen Straße auf den Germania Platz im Jahre 1930. Auffällig sind die schmale Fahrbahn und die breiten Bürgersteige, was bei dem geringen Fahrzeugverkehr zur damaligen Zeit ja durchaus sinnvoll war. Die „neue“ Bahnhofstraße bietet nach dem Umbau ebenfalls breite Bürgersteige bei schmaler Fahrbahn. Ob das allerdings bei den heutigen Verkehrsverhältnissen sinnvoll ist, wird sich demnächst zeigen, wenn die Straße wieder für den Verkehr freigegeben ist.

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1 Antwort zu „Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (6) – Der Germaniaplatz

  1. Hans J. Kürtz sagt:

    Ein Hilferuf von Kiel nach Süderbrarup -
    für einen Vortrag zum Thema „Notgeldscheine in S.H. 1920-22″ suche ich dringend noch Informationen zum Süderbraruper Notgeld-Drucker Heinrich Appel. Hat jemand noch Ansichtskarten aus den zwanziger Jahren, auf denen die Druckerei Appel zu sehen ist? Dort wurde auch die „Landpost“ gedruckt. Hat jemand davon noch ein Exemplar, das man – wie auch eine mögliche Ansichtskarte – scanen könnte. Gibt es sonst wo noch Erinnerungen an Appel? Für seine Nachkommen gibt es ja die Stolpersteine in Süderbrarup. Sollte mir jemand da weiterhelfen können, wäre ich für einen kurzen Anruf unter 0431 – 6794330 oder eine mail an ha.jot.ka@t-online.de dankbar. Hans J. Kürtz

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