Und hier der komplette in Süder-Rätsel Nr. 959 angesprochene Zeitungsartikel vom 27. Juli 1951 im Wortlaut:
Herr Bartram – „Geßler von Angeln“
An der Nordwestseite des Noors von Lindaunis, hart an der Schlei, liegt inmitten eines uralten parkähnlichen Gartens das Gut Lindau. Der einstmals sehr umfangreiche Besitz, der im 15. Jahrhundert der Familie Ratlov gehörte, führte damals
zum Unterschied von Lindau bei Gettorf den Namen Dänisch-Lindau. Für eine Schuldforderung von 1234 Mark und 12 Schillnge hatte es Hinrich Breide aus Ulsnis im Jahre 1472 von König Christian 1. übernommen und für 5800 Mark an Klaus Ratlov verkauft. Als weitere Besitzer sind in der Borener Kirchspielswinde von 1565 eingetragen: Otto von Knop und Frau Wibe, Groten Stampe. Klaus Quelmann und Jungfer Gundelblindt. 1527 besaß das Gut Otto Ratlov, nachdem sein Bruder 1500 im Dithmarschenkrieg gefallen war. Bis 1598 war dessen Sohn Bartram Besitzer, der es, als er den Meierhof Nottfeld übernahm, seinem Sohn Moritz überließ. Bis 1631 lebte Christian Ratlov als Herr auf Lindau, bis er von Franz Rantzau im Duell erstochen wurde. Nach Bertram Reventlau, Wilhelm Rumohr und Wulf Brockdorf verkaufte es Christian Albrecht von Brockdorf 1719 an den Herzog Philipp Ernst von Brockdorf. Bis 1779, dem Tode des letzten Herzogs blieb es im Besitz der Glücksburgischen, von denen es für das Taxatum von 120.000 Talern König Christian VII. übernahm.
Ein Adlerschuß und seine Folgen
Bei der Parzellierung im Jahre 1783 blieb die größte Parzelle beim Stammgut Lindau. Von den alten Gebäuden stehen heute noch Reste des Wohnhauses und das Kuhhaus. Auch ein Teil des alten Burggrabens sowie Anlagen des alten Parkes mit der Gedenksäule, die im Jahre 1884 anläßlich der hundertjährigen Wiederkehr des Tages der Aufhebung der Leibeigenschaft errichtet wurde, sind erhalten geblieben. Der älteste Teil des Wohnhauses ist auf einer Balkenkonstruktion erbaut, die in Schleswig-Holstein gänzlich unbekannt ist. Selbst Fachleute können das tatsächliche Bauzeitalter des alten Gutshauses nicht bestimmen, zumal auch der größte Teil der alten Gebäude einem großen Schadenfeuer im Jahre 1700. bei dem auch 120 Kühe, viele Schweine und Pferde und 2000 t Roggen verbrannten, zum Opfer fielen. Das Feuer soll durch das Abfeuern einer Flinte, mit der nach einem Adler geschossen wurde, entstanden sein.
Sie waren einst gestrenge Herren, die Besitzer von Lindau, und noch heute erzählt man in der Umgebung von ihren Taten, die man größtenteils als ungeschichtliche Ueberlieferungen werten muß.
So ließ Herr Bartram Ratlov im Jahre 1557 auf dem Tinqplatz zu Boren zehn Hexen anbrennen, „weil sie runde Augen hatten“. 1559 brachte er aus dem Kriege in Dithmarschen zwei große silberne Leuchter mit, die er im Dom zu Meldorf geraubt haben soll. Es ist anzunehmen, daß es sich bei diesen Leuchtern um ehrliche Kriegsbeute oder um eine Kontribution handelte, die damals, wie auch heute noch, dem Sieger zustand. 1598 hat er diese beiden Leuchter der Kirche zu Boren gestiftet, und die Sage berichtet, daß er mit dieser Spende sein Gewissen beruhigen wollte.
Die Stange mit dem Hut war politisch verschwunden
Auf jeden Fall scheint Herr Bartram Ratlov ein hochmütiger Mann gewesen zu sein. Wie Herr Geßler in der Schweiz, ließ er an der Kirche in Boren eine Stange errichten, auf der sein Hut hing. Alle Kirchgänger mußten diesen Hut grüßen, doch war die Stange mit der Kopfbedeckung ganz plötzlich an einem Sonntag verschwunden. Trotz eifrigster Nachforschungen und Verhöre konnte das Dinggericht den oder die Täter nicht feststellen.
Findlinge in der Schlei
Westlich von Lindau liegt an einem Steilufer der Schlei das heute dem Kapitän Plath gehörige Gut DalIacker, das früher ebenfalls einmal zur Herrschaft Lindau gehörte. Auch hier ist im Garten des Gutes die Stelle kenntlich, an der einst das ursprüngliche Wohnhaus gestanden hat. Am Strand von Dallacker, unmittelbar unter der Stelle, an der das Stammhaus gestanden hat, liegen heute noch einige große Findlinge in der Schlei. Von ihnen berichtet die Sage, daß der damalige Besitzer des Hofes, dessen elf Söhne nach Britannien ausgewandert waren, hoch über der Schlei elf große Findlinge aufgestellt hatte, um seinen heimkehrenden Söhnen, aber auch allen Vorüberfahrenden zu dokumentieren, daß hier der Hof der elf Söhne steht.
Jahrhunderte sind seit dieser Zeit ins Land gezogen, Viele Zeugen einer arbeitsreichen Vergangenheit sind verschwunden, und die Geschlechter derer, die einst hier siedelten und lebten. sind zum Teil ausgestorben. Doch vom Vater auf den Sohn vererbt, leben sie weiter im Volke, die Geschichten vom Ufer der Schlei.
Passend zum letzten Absatz hier das von Frau Bestry in ihrem Kommentar zum Bilderrätsel 959 angesprochene Gedicht zu den Steinen von Gut Dallacker (original auf plattdeutsch und die Übersetzung in das Hochdeutsche). In England gibt es übrigens einige Orte, die ähnlich klingen wie Gunneby, z.B. Gunby oder Great Gonerby. Also könnte an der alten Sage von der Auswanderung der elf Söhne durchaus etwas dran sein.