„Geschäftsreise“ in die Vergangenheit (4) – Bahnhofstraße (hinterer Teil links)

Zunächst eine kleine Anmerkung:
Beim Schreiben dieses Artikels habe ich festgestellt, dass sie Abhandlung des gesamten hinteren Teils der Bahnhofstarße sehr umfangreich wird. Deshalb unterteile ich diesen Abschnitt noch einmal und  komme zunächst zur linken Straßenseite in Richtung Norderbrarup. Die rechte Straßenseite wird in einem folgenden Artikel behandelt.

Anmerkung 2: Die Ausführungen zum Haus Nr. 21 wurden aufgrund neuer Erkenntnisse angepasst. Ebenso die Ausführungen zum Schweineschuppen am Bahnhof.

Anmerkung 3: Es gibt eine Anmerkung von Karl Pusch zum Thema Süderbraruper Bahnhof (siehe Ende des Artikels). Ich hänge das erst einmal an diesen Artikel an, obwohl es gut zu einem gesonderten Beitrag über die Eisenbahn in Süderbrarup passen würde – aber dafür ist noch ein bisschen mehr Recherche erforderlich:


In der letzten Folge dieser Reihe hatten wir unseren Rundgang durch die Bahnhofstraße im ehemaligen Bahnhofscafe beendet. Wechseln wir also jetzt die Straßenseite und begeben uns zum Süderbraruper Bahnhof.

bstr_101 Süderbrarup besitzt einen Bahnanschluss seit 1881. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Kiel-Flensburger Eisenbahn erbaut, die ursprünglich über Kappeln anstatt über Süderbrarup führen sollte. Da aber Süderbrarup über 40.000 Mark an Bahnaktien aufbrachte, in Kappeln aber kaum Interesse am Erwerb solcher Papiere bestand, kam es letztlich dazu, dass die neue Bahnstrecke über Süderbrarup führte. bstr_106 Der Bahnhof wurde 1880/81 erbaut und am 21. Dezember 1881 wurde die Bahnstrecke eröffnet.

bstr_107 Schon zwei Jahre später1883 wurde die Schleswig-Angler Eisenbahn erbaut, die von Schleswig aus bis nach Süderbrarup fuhr. Nachdem diese Bahnstrecke von der Stadt Schleswig auf den Kreis übergegangen war, wurde sie 1905 über Süderbrarup hinaus bis Kappeln verlängert. Diese verkehrsgünstige Lage am Kreuzungspunkt zweier Bahnstrecken sollte sich im Laufe der Jahre günstig auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gemeinde auswirken.

Doch zurück zum Bahnhofsgelände. bstr_102 Neben dem eigentlichen Bahnhofsgebäude gab es einen großen Wasserbehälter, der sogar mit einem Windrad zum Betrieb der Förderpumpe versehen war. Auf dem Gelände gab es außerdem Verladerampen, auf denen damals hauptsächlich Vieh verladen wurde. Neben den Schalter- und Betriebsräumen gab es im Bahnhof selbst einen Wartesaal und in den ersten Jahren sogar ein separates Damenwartezimmer.

bstr_104 Auf der dem Bahnhof gegenüberliegenden Seite des Bahngeländes jenseits der Schienen befindet sich eine von der Schleswiger Straße aus zugängliche Ladestraße, die in den 50er und 60er Jahren auch noch häufig benutzt wurde. bstr_105 Ich erinnere mich noch, dass in dieser Zeit sowohl die großen Zirkusunternehmen als auch die großen Jahrmarktbeschicker (wie z.B. Schippers & v.d. Ville) ihre Wagen per Bahn nach Süderbrarup transportieren ließen. Sie wurden dann in der Ladestraße entladen und mit Zugmaschinen zum Marktplatz transportiert.

bstr_103 Lange Jahre gab es im Bahnhof auch eine Bahnhofswirtschaft mit angeschlossenem Warteraum. Der Gastwirt betrieb auch einige Zeit eine Art Kiosk mit einem Verkaufsfenster zum Schalterraum hin. Hier konnten wir Fahrschüler uns schon morgens vor der Fahrt nach Kappeln mit Süssigkeiten versorgen. Im Laufe der Jahre schloss nicht nur die Gastwirtschaft im Bahnhof, sondern auch der Service  durch Bahnangestellte wurde immer weiter zurückgedreht. Heute kann man seine Fahrkarten im Bahnhof selbst nur noch an Automaten kaufen, womit so mancher ältere Mitbürger seine Probleme hat.

Am 26. April 1987 war auf dem Süderbraruper Bahnhof etwas Besonderes los. An diesem Tag weihte die Deutsche Bundesbahn auf dem Bahnhof Süderbrarup die erste Regionalschnellbahn Deutschlands ein. Auf dem aus diesem Anlass stattfindenden Bahnhofsfest wurden auch die neuen Triebwagen der Baureihe 628.2 vorgestellt, damals noch in den Farben mintgrün/weiß. bstr_114 Bei der Gelegenheit gab es auch verschiedene Lokomotiven auf dem Süderbraruper Bahnhofsgelände zu sehen, so dass der Bahnhof wohl nie wieder so viele  Menschen gleichzeitig gesehen hat, wie an diesem Apriltag.

Der planmäßige Personenverkehr auf der Strecke Schleswig – Süderbrarup wurde im Mai 1972 eingestellt. Die ehemalige Bahntrasse wird heute als Wanderweg genutzt. Auf der Strecke Süderbrarup – Kappeln verkehrt in den Sommermonaten die Angelner Dampfeisenbahn mit historischen Lokomotiven und Waggons.

bstr_110 Angrenzend an den Bahnhof in nördlicher Richtung ließ der damalige Wirt des Bahnhofshotels 1934/35 einen Schweineschuppen errichten.  Das Gebäude wurde in den letzten Jahren  saniert und beherbergt heute einen Reifendienst. Noch etwas weiter nördlich entstand 1921 eine Maschinenhalle (gegenüber der Schweinerampe). In diesem Baracken-ähnlichen Gebäude war nach dem zweiten Weltkrieg die Firma Stahl-Petersen untergebracht, die später in einen Neubau in der Kappelner Straße umzog.

bstr_111 Im Haus Nr. 21 wohnte Ende des 19. Jahrhundets der Baumeister und Zimmermeister Peter August Henningsen, der eine für Süderbrarup bedeutsame Rolle spielte. Er betrieb nicht nur eine Böttcherei und ein Sägewerk Die ersten Stromgeneratoren Süderbrarups, mit denen er von Januar 1898 für mehr als zwanzig Jahre den Ort mit elektrischer Energie versorgte, wurden übrigens auch von Henningsen errichtet. Dieses erste Elektrizitätswerk Süderbrarups stand allerdings auf der gegenüberliegenden Seite der Bahnhofstraße. Außerdem war Henningsen Baumeister der Volksschule und des Kirchturms der Jacobi Kirche.

bstr_112 Auf dem Nachbargrundstück Nr. 23 standen ursprünglich verschiedene Schuppen der Firma von Peter August Henningsen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gelände vom Bezugsverein genutzt. Das heute noch stehende Hallengebäude wurde bis 1971 von Max Femerling als Schlosserwerkstatt genutzt, später war es Lagerhalle der gegenüberliegenden Spedition Karl Jürgensen. Nach Aufstockung und Umbau 1998 ist heute im Haus Nr. 23 ein Antiquitätenhandel untergebracht. Im benachbarten Haus Nr. 25 hatte in den 70er und 80er Jahren eine Heißmangel ihr Domizil.

bstr_113 Das 1907 erbaute Haus Nr. 27 war bis Mitte der 60er Jahre eines der größeren Geschäfte in Süderbrarup, denn hier bekam man neben Lebensmitteln auch Geschirr, Gläser und andere Haushaltswaren. In dieser Form wurde der Laden bis 1968 von Alfred Siemsen betrieben. Später ging das Geschäft an den Kaufmann Mangelsen über. 1968 schließlich übernahm Albert Erichsen aus Brebel den Laden, wobei er das Sortiment auf Lebensmittel beschränkte und nur noch den kleinen linken Teil des Gebäudes belegte.

bstr_115 Im größeren rechten Gebäudeteil wurde 1969 die Gastwirtschaft „Oller Kotten“ eröffnet. In den 70er Jahren war der „Olle Kotten“ das unbestrittene Lieblingslokal der Jugend aus Süderbrarup und Umgebung. Man traf sich am Wochenende vor dem Disko-Besuch oder nach dem Kino im „Kotten“ – wie wir damals sagten – um zu klönen, etwas zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen. Im Laufe der Jahre änderten sich anscheinend der Geschmack oder die Gewohnheiten der Jugendlichen mit der Folge, dass der „Olle Kotten“ seine Pforten schloss. Für einige Zeit versuchte noch eine Pizzeria ihr Glück in den Räumlichkeiten. Heute ist im Erdgeschoss eine Ergotherapie-Praxis untergebracht.

bstr_116 Das direkt an das Siemsen-Haus angrenzende Haus Nr. 29 ist ein sehr schönes 1906 im Jugendstil erbautes Gebäude. Hier und auf dem angrenzenden Gelände betrieb seit 1918 Detlef August Heinrich Plambeck einen Viehhandel. 1934 übernahmen die Brüder Borghardt das Geschäft und bauten es zu einem der größten Pferdehandel Angelns aus. bstr_117 Nach dem Ende der Blütezeit des Pferdehandels betrieb hier Werner Lutzhöft eine Werkstatt für Landmaschinen, die nach dem Konkurs des Unternehmens von der Landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft aus Kiel aufgekauft wurde. Als 1980 der Landmaschinenbetrieb der Hauptgenossenschaft nach Sörup verlagert wurde, kaufte Wolfgang Warwel, der zuvor eine Tankstelle und Autowerkstatt in der Großen Straße betrieben hatte, Gebäude und Gelände und richtete dort eine Honda Vertragswerkstatt ein. bstr_118 1990/91 wurden die Betriebsgebäude auf dem Eckgrundstück zur Raiffeisenstraße erweitert und modernisiert.

Nach dem Passieren der Raiffeisenstraße kommt man vorbei an den als „Reichshäuser“ bezeichneten Einzel- und Doppelhäusern zur Einmündung der Heuländerstraße in die Bahnhofstraße. Dort liegt das Haus Heuländer Straße 1, das wir in diesem Artikel ebenfalls kurz abhandeln wollen. bstr_119 Dieses Gebäude dürften viele der älteren Süderbraruper schon einmal betreten haben, denn dort betrieben der Fotograf Carl Stüwe und seine Tochter im verglasten Dachgeschoss ein Fotoatelier. Ob zur Einschulung, zur Hochzeit oder zu anderen festlichen Anlässen – man ging damals zu Stüwe, um ein Erinnerungsfoto machen zu lassen. Auch mein Einschulungsfoto mit Schultüte entstand damals im Dachgeschoss dieses Hauses, wobei ich mich noch gut an die freundliche alte Fotografin Carla Stüwe erinnern kann. bstr_120 Ebenfalls einen Blick wert war damals stets der Aushangkasten an der Bahnhofstraße, in dem Frau Stüwe, die 1981 verstarb, immer einige besonders gelungene Fotografien ausstellte. Heute ist das Gebäude ein reines Wohnhaus.

bstr_121 Auf der anderen Seite der Straßeneinmündung steht ein Werkstatt- und Geschäftshaus, das 1971 für den Schlossermeister Rolf Femerling errichtet wurde. Im Ladengeschäft verkaufte Femerling Fahrräder, Mopeds und entsprechendes Zubehör. Nach seinem Tode wurde das Geschäft verpachtet, wird aber unter dem Namen Femerling weitergeführt.

bstr_122 Nach einer langen unbebauten Strecke endet die Bahnhofstraße auf der linken Seite mit dem Eckhaus zum Heidbergweg. Dieses Haus Nr.59 ist wohl eines der ältesten noch annähernd in seiner Urspringsform erhaltenen Häuser Süderbrarups.

Damit endet unsere heutige Tour durch die Bahnhofstraße. Weiter geht es beim nächsten Mal mit der rechten Seite.


Karl Pusch schreibt zum Süderbraruper Bahnhof folgendes:

Im Anhang sende ich einen Bahnhofsplan von Süderbrarup aus dem Jahr 1904 (Monat Juli). Zu der Zeit fuhren die Züge der Schleswig-Angler Eisenbahn nur zwischen Schleswig und Süderbrarup. Gefahren wurden die Züge mit den Rowanschen Dampftriebwagen. Von denen hatte die Bahn drei Stück. Zwei für den Personenverkehr und einen für den Güterverkehr. Von Schleswig kommend fuhren sie an den noch heute bestehenden eigenen Bahnsteig. Da die Dampftriebwagen aber nur von der Führerstandseite gefahren werden konnten, mussten die Triebwagen für die Rückfahrt gedreht werden. Wie aus dem Bahnhofsplan ersichtlich ist, wurde für diesen Zweck eine Drehscheibe vorgehalten. Sie befand sich auf der Höhe des Anwesens der früheren Firma Carstensen. Dort war auch der Triebwagenschuppen, eine Rampe sowie die Abstellgleise. Am 22.12. 1904 wurde der Personenverkehr nach Kappeln aufgenommen.

… und hier ist der Bahnhofsplan aus dem Jahr 1904:

bahnhofsplan_1904

 

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